Asbest: Zwei neue Gesetzesinitiativen wirbeln Staub auf

Asbest ist weiterhin eine häufige Ursache für berufsbedingte Krebserkrankungen und Sterbefälle. 30 Jahre nach dem Asbestverbot sind schätzungsweise noch immer über 30 Millionen Tonnen des krebserregenden Materials in Deutschland verbaut[1]  – besonders durch verdeckten Asbestzement, der nach Einschätzung des Schieferproduzenten Rathscheck Schiefer bis zu 700 Millionen Quadratmeter Dachfläche in Deutschland belastet.[2] Gegenwärtig sind noch über 100.000 Arbeitnehmer – zumeist Handwerker im Ausbaugewerbe – einem Asbest-Expositionsrisiko ausgesetzt.[3]

Jährlich werden rund 3.600 astbestbedingte Berufserkrankungen in Deutschland diagnostiziert.[4] Im Jahr 2017 waren 63 Prozent aller berufsbedingten Todesfälle mit Asbest assoziiert.[5]

 

Neue EU-Richtlinie senkt Grenzwerte für Asbest

Auf EU- und Bundesebene stehen gegenwärtig neue Verordnungen zur Asbest- und Gesundheitsprävention am Arbeitsplatz in den Startlöchern. Bereits beschlossen wurde die Erneuerung der EU-Richtlinie 2009/148/EG über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Asbest am Arbeitsplatz. Die am Arbeitsplatz zulässige Asbestkonzentration wurde darin von 0,1 auf 0,01 Fasern/cm³ auf das zehnfache herabgesetzt. Laut Kommission seien im Jahr 2019 EU-weit ca. 70.000 Menschen an den Folgen einer Asbestvergiftung gestorben.[6] Den EU-Ländern bleiben zwei Jahre Zeit zur Umsetzung der neuen Grenzwerte.

 

Geplante Verordnung des Bundes stößt auf Kritik

Noch im Entwurfsstadium befindet sich die bereits kontrovers diskutierte Novellierung der Gefahrenstoffverordnung (GefStoffV). Nach derzeitigem Stand plant die Bundesregierung die Einführung einer besonderen Bauherrenverantwortung, die Informations- und Mitwirkungspflichten von Tätigkeiten mit Asbestrisiko umfasst. Da dieses Risiko bei allen Gebäuden bestehe, die vor 1993 – dem Jahr des Asbestverbots – erbaut wurden, sei der Bauveranlasser für anlassbezogene Asbesterkundung und gegebenenfalls asbestspezifische Schutz- und Entsorgungsmaßnahmen verantwortlich. Für Immobilieneigentümer entstehen dadurch erhebliche Mehraufwendungen für Untersuchungen und Gutachten zur Bausubstanz.

 

Pass für Gebäude ohne Asbest

Die Zielsetzung der Gesundheitsprävention und die Verantwortungsübertragung auf Bauherren wird vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) grundsätzlich begrüßt. Kritisch sieht der GDV jedoch den dadurch entstehenden Aufwand. Je geringfügiger der handwerkliche Eingriff, desto unverhältnismäßiger nähmen sich Kosten für Gutachten und Schutzmaßnahmen aus. Die Verordnung fördere dadurch Schwarzarbeit und erreiche schließlich das Gegenteil ihrer Zielsetzung. Zum Vorschlag bringt der GDV die Idee eines Gebäudepasses für Asbestfreiheit. Dadurch könnte auf wiederkehrende Asbesterkundungen verzichtet werden. Die Mehrbelastung für Bürger und Wirtschaft würde sich in Grenzen halten, so der Versicherungsverband in seiner Stellungnahme.[7]

 

Wichtig: Asbest in der Betriebshaftpflichtversicherung

Schäden durch Arbeiten mit Asbest sind in der Betriebshaftpflichtversicherung grundsätzlich ausgeschlossen. Eine Mitversicherung muss ausdrücklich vertraglich vereinbart werden. Dies ist für alle Gewerke mit erhöhtem Asbestkontaktrisiko relevant. Ein erhöhtes Expositionsrisiko der gesundheitsgefährlichen Asbeststäube besteht besonders beim Abbruch des belasteten Materials. Kritische Punkte in der Betriebshaftpflichtversicherung sind vor allem die Höhe der Deckungssumme für Asbestarbeiten und die Herangehensweise im Leistungsfall, wenn womöglich nicht alle behördlichen Arbeitsschutzauflagen im Umgang mit Asbest eingehalten wurden. Deckungssummen von unter 1 Million Euro sind grundsätzlich ungenügend, da Asbest vor allem zu Personenschäden führt und die damit einhergehenden Schadenssummen durch z.B. Verrentung erhebliche Höhen erreichen können. Wichtig ist die Anpassung der Betriebshaftpflichtversicherung an veränderte rechtlichen Rahmenbedinungen und der exakte Zuschnitt auf das Handwerksunternehmen.

 

BG Bau unterstützt Betriebe beim Umgang mit Asbest

Für Dachdecker-, SHK- und andere Handwerkbetriebe im Ausbaugewerbe bietet die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) Unterstützung bei der Arbeit mit Asbest an. Dies umfasst sowohl Aufklärung und Beratung als auch finanzielle Förderung. So bietet die Berufsgenossenschaft Online-Kurse und kostenloses Info-Material zum Thema Asbest an. Darüber hinaus werden auch Schutzmaßnahmen und -geräte wie etwa spezielle Bau-Entstauber, Luftreiniger oder Schutzkleidung gefördert. Bis zu 5.000 Euro bei einer Förderquote von 50 Prozent pro Maßnahme können Betriebe zum Arbeitsschutz beantragen.

 

 

Exkurs: Herkunft und Geschichte von Asbest

Asbeste sind natürlich vorkommende faserförmige Mineralien aus magmatischem Ausgangsgestein mit hohem Magnesium- und Eisenanteil. Aufgrund seiner Elastizität, Hitze- und Alterungsbeständigkeit wurde Asbest bereits vor ca. 4000 Jahren von Menschen verwendet. Ein regelrechter Asbest-Boom setzte mit der Erfindung des Asbestzements zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein. Asbestprodukte wurden nun umfänglich in allen Bereichen des Gebäudebaus verwendet – von Putzen, Füllungen und Bauplatten bis zu Lüftungsrohren, Dachpappen und Fassadenverkleidungen. In Deutschland wurde besonders in den 1960er und 1970er Jahren beim Gebäudebau auf Asbest gesetzt.

Es sollten allerdings Jahrzehnte vergehen, bis Mediziner den Zusammenhang zwischen vermehrt auftretenden Lungenerkrankungen und Asbest erkannten. Im Jahr 1936 wurde die Asbestose, die asbestbedingte Vernarbung der Lunge, als Berufskrankheit anerkannt; astbestbedingter Lungenkrebs 1943. 1977 kam das durch Asbest ausgelöste Mesotheliom (ein Tumor) des Rippen- und Bauchfells dazu. Zuletzt wurde 1997 – 4 Jahre nach dem generellen Verbot des karzinogenen Stoffes – asbeststaubassoziierter Kehlkopfkrebs als Berufskrankheit anerkannt.

Aufgrund seiner langen von Latenzzeit von bis zu mehreren Jahrzehnten stellen asbestbedingte Berufskrankheiten noch heute einen beträchtlichen Anteil in den Statistiken der Gesetzlichen Unfallversicherung.

 

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Quellen:

[1] Nationales Asbest Profil 2020. Abrufbar: https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Berichte/Gd80-2.html, S. 57 im Dokument.

[2] https://www.rathscheck.de/magazin/asbestplatten-auf-dem-dach-die-situation-in-deutschland/

[3] Nationales Asbest Profil 2020, S. 31.

[4] Ebd., S. 8.

[5] Ebd., S. 37.

[6] https://sbroker.de/sbl/mdaten_analyse/nachadhoc_txt?IS_PARAMS=%26ID_NEWS%3D1113076939%26ioContid%3D1908&ioContid=1908

[7] Siehe Stellungnahme des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft | Lobbyregister-Nr. R000774 zum Referentenentwurf der Bundesregierung für eine Verordnung zur Änderung der Gefahrstoffverordnung und anderer Arbeitsschutzverordnunge (Bearbeitungsstand: 15.03.2022). Abrufbar unter https://www.gdv.de/resource/blob/84668/bf08350498b3f977376f0ee8a2c393da/stellungnahme-zum-referentenentwurf-fuer-eine-verordnung-zur-aenderung-der-gefahrstoffverordnung-data.pdf

Markus Mohr Aachen Versicherungsmakler Geschäftsführer DILEX q

Markus Mohr

05. Juli 2023

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