Wunderwerke der Dachbaukunst: Die Kuppel der Hagia Sophia

Die Hagia Sophia gilt als eines der bedeutendsten Bauwerke in der Geschichte der Menschheit.

Unter Kaiser Justinian I. in nur fünf Jahren – zwischen 532 und 537 n. Chr. – erbaut, setzte die ursprünglich byzantinische Großkirche architektonisch neue Maßstäbe.

Herausragend ist dabei die monumentale Dachbaukunst. Die Kuppelkonstruktion gilt für die damaligen Möglichkeiten als architektonische Sensation. Sie stellt Bauforscher noch heute vor Rätsel: aufgrund ihres Ausmaßes, ihres flachen Neigungswinkels und der ungeheuer kurzen Bauphase.

Mit einer Kuppelhöhe von 56 Metern und einem Durchmesser von 33 Metern stießen die Konstrukteure in Dimensionen vor, die erst über 1.000 Jahre später eingeholt werden konnten. Die Dachdecker erbauten die bis heute weltweit größte Ziegel-Kuppel, die auf nur vier Tragepunkten errichtet ist.

Die Architekten des byzantinischen Sakralbaus, Anthemios von Tralleis und Isidor von Millet, zogen sämtliches verfügbare Bauwissen der Spätantike zusammen. Darauf aufbauend entwickelten sie neue Methoden zur Berechnung geometrischer Formen, u.a. zur Ausmessung von Gewölbeformen. Neben der Hauptkuppel befinden sich im westlichen und östlichen Teil des Bauwerks jeweils größere Halbkuppeln. Darüber hinaus ist eine Vielzahl kleinerer muschelförmiger Kuppelgewölbe in die Dachkonstruktion eingelassen.

Mit dem Bautyp der Kuppelbasilika nimmt die religiöse Orientierung zum Himmel architektonische Gestalt an. „Diese absolute Größe, in der der Mensch klein wird wie unter einem Sternenhimmel, ist für die Wirkung [der Kuppel – Redaktion] mit entscheidend“, schreibt der Kunsthistoriker Richard Hamann in seinem Standardwerk Geschichte der Kunst, „[d]enn wie ein solcher Himmel wölbt sich über den Pfeilern eines Quadrates die ungeheure Kuppel, die den Bau in seiner Mitte krönt“, so Hamann zum Wahrzeichen der Hagia Sophia.[1]

So konnte die Hagia Sophia mit ihrem eindrucksvollen Kuppelfirmament auch nach der Eroberung durch die Osmanen (1453) weiter als Gotteshaus dienen. Allerdings nicht mehr unter dem Zeichen des Kreuzes, sondern des Halbmondes.

Einer der bedeutendsten osmanischen Architekten war Koca Sinan Pascha (1512-1596). Sinan sah es als seine Lebensaufgabe an, einen der Hagia Sophia ebenbürtigen Kuppelbau zu erschaffen. Die Kuppeln der Prinzen-Moschee und der Süleiman-Moschee in Istanbul sind noch heute Zeugnisse dieser Inspiration. In beiden Fällen gelang es Sinan jedoch nicht, die Hagia Sophia einzuholen. Erst im Alter von über 80 Jahren war dem Architekten mit der Selimije-Moschee schließlich Erfolg beschieden. Wenn auch nicht in der Höhe, so zog ihre Kuppel doch im Durchmesser mit der Hagia Sophia gleich – nach über 1.000 Jahren.[2]

Nach Gründung der modernen Republik Türkei wurde die Hagia Sophia in ein Museum umgewandelt. Seit 2010 beten wieder Gläubige unter dem Firmament seiner Kuppel.

Die Hagia Sophia ist heute Teil des UNESCO-Weltkulturerbes.

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Quellen:

[1] Hamann, Richard. Geschichte der Kunst. Von der altchristlichen Zeit bis zur Gegenwart. Droemersche Verlagsanstalt: München 1954, S. 101.

[2] Robinson, Francis. Weltatlas der Kulturen. Der Islam. Geschichte, Kunst, Lebensformen. Christian Verlag GmbH: München 1988, S. 84-87.

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23. Januar 2023

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